Dalwhinnie
Obwohl der Dalwhinnie klassischer Weise als ein guter Whisky für Einsteiger gilt, lässt seine raue Herkunft doch zunächst anderes vermuten. Die Dalwhinnie Destillerie ist nicht nur eine der höchst gelegenen Brennereien des Landes – sie liegt auf einem Pass auf 326 Metern über dem Meeresspiegel – sondern liegt auch in einem der kältesten bewohnten Orten in Schottland. In einer Region, in der die mittlere Jahrestemperatur lediglich 6,3 Grad beträgt, da entsteht ein Whisky mit Charakter und Eigenart, möchte man meinen, ein Whisky für echte Kenner, einer der brennt und wärmt. Doch der Dalwhinnie ist – obgleich auch unter Kennern ein sehr beliebter Whisky – ein eher sanfter Single Malt. Aromatisch und würzig ja, aber Heidekraut und Torf halten sich eine angenehm milde Waage und ergießen sich in ein geschmeidiges Tasting mit süßen Noten von Heidehonig und Malz. Was Einsteiger besonders lieben, ist der herrlich lange Abgang mit Anklängen von Kakao und Kaffee, was so manchen schon zu der Beobachtung anhielt, der Dalwhinnie sei einer der rundesten, komplettesten Highland Whiskys überhaupt.
Die Dalwhinnie Destillerie liegt etwa 60 Kilometer südwestlich von Inverness, am Fuß der zu Weilen recht schroffen, oft lang verschneiten Cairngorm Mountains. Die Whisky-Brennerei ist ohne Frage die größte Attraktion im Ort, dessen wahre Schönheit sich außerhalb seiner Grenzen entfaltet, dort wo der Nationalpark beginnt und die Berge in den Himmel ragen. Das gälische Wort Dalwhinnie bedeutet so viel wie Versammlungsort. Das geht vermutlich darauf zurück, dass sich an dem Ort, an dem die Destillerie heute liegt, einst zwei wichtige Verbindungswege kreuzten.
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Auf diesen uralten Straßen trieb man das Vieh in die Highlands oder in die Gegenrichtig, in die Lowlands – und schmuggelte ganz zweifellos auch Whisky. Die Schmugglerei hat im schottischen Hochland eine lange Tradition. Inzwischen aber wird der Whisky in Dalwhinnie ganz legal hergestellt und verkauft. Die Brennerei, die man heute dort besichtigen kann, wurde 1897 gegründet. Knapp 30 Jahre zuvor hatte der Ort einen eigenen Bahnhof erhalten und war damit an die Highland Main Line angeschlossen worden. Die Lage war also perfekt, um mit dem Wasser aus der Allt an t’Sluie Burn einen Whisky zu destillieren – und ihn dann von hier aus in die Welt zu verschicken.
Der Dalwhinnie – Geschichte des Geschmacks
Zunächst eröffneten John Grant, George Sellar und Alexander Mackenzie die heutige Dalwhinnie Destillerie als Strathspey Destillerie. Schon ein Jahr nach Baubeginn begannen sie, hier Whisky herzustellen. Doch der Erfolg blieb aus und schon bald geriet die Unternehmung in so große finanzielle Schwierigkeiten, dass den Gründern nichts anderes übrig blieb, als die Brennerei an John Sommerville & Co. und A P Blyth & Sons zu verkaufen. Diese erfahrenen Hersteller wussten genau, was der Brennerei fehlte und strukturierten sie innerhalb kürzester Zeit um und ließen einige Umbaumaßnahmen vornehmen. Die Brennerei erhielt nun den Namen Dalwhinnie, unter dem sie heute in der ganzen Welt bekannt ist. Seitdem hat Dalwhinnie mehrfach den Besitzer gewechselt, war zwischendurch sogar in US-amerikanischen Händen. 1934 schien es kurzzeitig, als sei die Erfolgsgeschichte des sanften Highland-Whiskys zu ende: Ein großes Feuer zerstörte sowohl die Brennerei als auch den Ort fast vollständig. Doch vier Jahre später wurde die Dalwhinnie Destillerie wieder in Betrieb genommen und produziert seitdem ohne Unterlass den edlen Whisky.
Dabei kommen Malz aus den United Distillers-Mälzereien in Burghead und Roseisle und Wasser aus der nahe gelegenen Allt an t’Sluie zum Einsatz. Seinen besonderen Geschmack verdankt der Scotch unter anderem den Gärbottichen aus sibirischer Lärche und Oregonkiefer. Im Gegensatz zu anderen Brennereien, die eine ganze Serie verschiedener Jahrgänge anbieten, hat sich die Dalwhinnie Destillerie dabei auf einen Jahrgang konzentriert – und diesen perfektioniert! Der Dalwhinnie 15 Jahre ist das Hauptprodukt der Brennerei. 2010 erhielt er in der Whisky Bible von Whiskyexperte Jim Murray ganze 95 von 100 Punkten, was ihn zu einem der besten Whiskys der Welt macht. So hat es der Dalwhinnie 15 Jahre auch auf die Liste der Classic Malts of Scotland geschafft, der Premium-Edition von Diageo. Das Unternehmen ist heute Eigentümer der Dalwhinnie Destillerie und besitzt auch viele andere der großen Brennereien in Schottland. Mit 15 Jahren ist der Dalwhinnie (nach dem 16-jährigen Lagavulin) der zweitälteste Whisky in dieser Serie.
Was den Genießer beim Dalwhinnie erwartet
Vor allem als Aperitif eigne sich der Dalwhinnie wegen seiner Leichtigkeit sehr gut, heißt es. Dass er so vollkommen durchgereift erscheint, liegt nicht zuletzt auch an dem besonderen Klima auf dem Pass bei Dalwhinnie. In solchen Höhenlagen herrschen in Schottland unglaubliche Temperaturschwankungen. Während es im Winter bis zu -20 und -30 Grad kalt werden kann, heizt sich die Luft dort im Sommer auf bis zu 20 bzw. 30 Grad auf. Solche Temperaturunterschiede führen dazu, dass sich das Faß ausdehnt und zusammenzieht und ein reger Austausch mit der Außenluft stattfindet. Das verleiht dem Dalwhinnie ein Aroma, das ihn stark von jenen Whiskys unterscheidet, die bei relativ gleichmäßigen Temperaturen in Meeresnähe reifen.
15 Jahre hat er dazu Zeit, zum Teil in ehemaligen Sherry-Fässern, die den Geschmack auf ihre Weise abrunden. Schon das Nosing offenbart eine süße Fruchtnote, aus der sich die rauchige Torfnote nur sehr zögerlich herausschält. Dafür machen sich aber würziges Heidekraut und Karamell nach und nach bemerkbar. Wer sich viel Zeit nimmt, erkennt auch die Vanille, die ihren Teil zur Süße des Whiskys beiträgt. Im Tasting wird dieses Ensemble durch die Würze der Eichenfässer angereichert, Honig bahnt sich seinen Weg durch die Kehle. Anschließend genießen Sie einen langen, leichten Abgang, dem es an jener Schärfe (und zuweilen auch Bitterkeit) mangelt, die anderen Whiskys dieses und älterer Jahrgänge zu eigen sein kann.
Außer dem Dalwhinnie 15 Jahre hat das Haus noch den goldgelben Dalwhinnie Distillers Edition von 1985 zu bieten, dessen Süße durch ausgeprägte Malz- und Fassholztöne untermalt wird und dessen voller langer Abgang vor allem die Liebhaber süßer Whiskys bezaubert. Der 27-jährige Cadenhead ist dann eine teure Seltenheit. Er zeigt sich etwas torfiger als seine jüngeren Geschwister, seine Süße ist eher verhalten. Der trockene, eher grasige Geschmack ist etwas für Kenner, die etwas Exotisches probieren wollen. Alle anderen halten sich vielleicht lieber an den Dalwhinnie 15 Jahre und genießen sein volles, rundes Aroma.
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