Eyam - das faszinierende „Pest-Dorf“ in Derbyshire
Der Peak District und die Grafschaft Derbyshire haben Besuchern viel zu bieten. In der zerklüfteten, grünen Landschaft liegen malerische alte Dörfer, die von längst vergangenen Zeiten träumen lassen - eines dieser Dörfer ist Eyam. In der schönen Landschaft des Nationalpark Peak District, mit seinen hübschen alten Cottages entlang schmaler, gewundener Straßen und dem Herrenhaus Eyam Hall in seinem Zentrum, wirkt der Ort fast wie aus einem Märchen.
Was heute so idyllisch wirkt, hat zu einer anderen Zeit aber Schlimmes erlebt und kann eine besondere Geschichte erzählen. 1665 bricht im Dorf die Pest aus – mit verheerenden Folgen für seine Bewohner. Die Einwohner bringen ein großes Opfer und verhängen eine Quarantäne über ihr Dorf, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. Der Ort steht beispielhaft für das große Leid, das der sogenannte "schwarze Tod" damals über die Menschen brachte. Aber er erzählt auch eine außergewöhnliche Geschichte der Selbstlosigkeit im Angesicht von Leid und Tod. Die Spuren der geschichtsträchtigen Ereignisse von damals sind immer noch zu entdecken und machen das Dorf bis heute zu einem besonderen Ort, der auf jeden Fall einen Ausflug wert ist, wenn man Derbyshire und den Peak District besucht.
Die „Große Pest“ von London
August 1665: In London wütet der schwarze Tod. Die Pest ist in der Stadt. Das Bakterium Yersinia pestis hat die Stadt vermutlich im April 1665 mit einem Schiff aus den Niederlanden erreicht. Nun erobert die Krankheit London und breitet sich auch in weitere Regionen aus.
Die Krankheit wird, was damals noch unbekannt ist, in den meisten Fällen von Rattenflöhen übertragen. Und davon gibt es aufgrund der hygienischen Verhältnisse zu dieser Zeit viele.
Die Straßen sind voll von Unrat und Ratten vermehren sich ungehindert. Besonders in den armen Gegenden kann sich die Seuche deshalb rasant ausbreiten. Rund 100.000 Todesopfer wird die „Große Pest“ in und um London fordern.
Die Infizierten haben grippeähnliche Symptome mit hohem Fieber. An befallenen Lymphgefäßen bilden sich die sogenannten Pestbeulen: große, dunkel gefärbte, eitrige Geschwüre. Blutvergiftungen oder eine Infektion der Lunge führen schließlich zum qualvollen Tod. Die Menschen kennen weder die Ursache der Krankheit, noch eine Behandlungsmethode.
Die Angst vor der tödlichen Plage triebt die Menschen aus der Stadt. Wer kann, verlässt London und versucht dem schwarzen Tod zu entkommen. Die Krankheit breitet sich so noch weiter aus und fordert auch im Umland immer mehr Opfer.
Mit Rattenflöhen kommt die Pest nach Eyam
August 1665: Während in London bereits tausende Tote zu beklagen sind, geht im Örtchen Eyam in Derbyshire noch alles seinen normalen Gang. Die etwa 350 Einwohner gehen ihrem Tagewerk nach.
Es sind einfache, gottesfürchtige Menschen. Sie leben von der Landwirtschaft, sind Tagelöhner oder bewirtschaften die Bleiminen, die in den Hügeln oberhalb ihres Dorfes liegen. Im August 1665 arbeitet auch der Schneider George Vicars (oder „Viccars“) in Eyam. Eine Stofflieferung aus London soll ihm und vielen anderen im Dorf bald das Verderben bringen.
Die Lieferung ist mit Rattenflöhen verseucht, die den Pesterreger aus London in sich tragen. George Vicars wird als Erster im Ort infiziert. Er stirbt nach kurzer Krankheit Anfang September. Doch die Krankheit hat sich längst im Ort ausgebreitet und es kommt zu weiteren Todesopfern. Bald ist klar: Der schwarze Tod grassiert in Eyam. Allein zwischen September und Dezember 1665 sterben 42 Dorfbewohner. Die Angst vor der Seuche ist allgegenwärtig.
Eyam will die Ausbreitung der Pest verhindern
Die religiösen Einwohner des Dorfes sehen eine Prüfung Gottes in der um sich greifenden Krankheit. Rat suchend wenden sie sich an die Geistlichen ihres Ortes: den Puritaner Thomas Stanley und den Anglikaner William Mompesso. Man beschließt eine Reihe von Maßnahmen. Statt zu fliehen, will man die Krankheit eindämmen und ein Übergreifen der Seuche auf die umliegenden Ortschaften verhindern. Der Ort erlegt sich selbst eine Quarantäne auf. Keiner soll das Dorf verlassen und niemand von außerhalb soll es betreten, solange die Krankheit grassiert. Güter und Nahrungsmittel werden an den Dorfgrenzen hinterlegt. Das Geld dafür versucht man mit Essig zu reinigen.
Auch innerhalb des Dorfes versucht man engen Kontakt zu vermeiden. Ihre Toten sollen die Familien möglichst selbst begraben. Gottesdienste finden im Freien statt, damit sich die Menschen nicht auf engem Raum versammeln müssen.
Ein Dorf im Würgegriff des schwarzen Todes
Für Eyam selbst sind die Vorsichtsmaßnahmen wenig hilfreich. Die grausame Seuche wütet trotz aller Bemühungen 14 Monate lang verheerend im Dorf. Was mit einigen Rattenflöhen zwischen Stoffen begann, soll schließlich über 260 Einwohner des Ortes das Leben kosten. Nur etwa ein Drittel der Dorfbewohner überlebt. Einige Familien werden vollständig ausgelöscht. Für andere ist das Überleben die eigentliche Tragödie. Elisabeth Hannock verliert ihren Mann und ihre sechs Kinder innerhalb von nur acht Tagen. Sie selbst wird nicht infiziert.
Marshall Howe, der eine frühe Infektion überlebt hat, wird zum Totengräber des Ortes. Er begräbt jene, die nicht von der eigenen Familie beerdigt werden können. Howe hat viel Kontakt mit den Körpern Infizierter. Seine Frau und den zweijährigen Sohn verliert er. Doch er selbst überlebt. Auch die beiden Geistlichen des Orten fallen der Krankheit nicht zum Opfer. Warum die Pest einige Einwohner, trotz des engen Kontaktes mit Infizierten, einfach verschont hat, kann niemand sagen. Ihr mysteriöses Überleben gab Anlass zu Mutmaßungen über verbotene magische Praktiken im Dorf. Auch die moderne Wissenschaft konnte bis heute keine Erklärung liefern.
Am 1. November 1666 hat die Dorfgemeinschaft ihren letzten Pesttoten zu beklagen. Der junge Farmarbeiter Abraham Morten soll damals das letzte Opfer der Pest im Ort gewesen sein.
Die Epidemie hat unendliches Leid über Eyam gebracht. Die Maßnahmen, die man damals beschloss, haben die Bewohner des Dorfes nicht retten können, dennoch waren sie nicht vergebens. Die Todesrate in Eyam war höher als in London oder anderen Orten, wo die Menschen ihr Heil in der Flucht suchten, doch die Nachbargemeinden des Dorfes blieben von der Pestepidemie verschont. Tausende wurde so möglicherweise gerettet.
Wandeln auf den Spuren der Pest
Eyams Geschichte ist traurig, beeindruckend und faszinierend zugleich. Tragödien, wie sie hier stattfanden, hat die Pest auch an anderen Orten verursacht. Der kleine Ort hat als das „Pest-Dorf“ aber besondere Bekanntheit erlangt. Wohl hauptsächlich wegen der mutigen Entscheidung der Dörfler im Angesicht des Todes auszuharren, um andere zu schützen.
Noch heute erinnert vieles im Ort an die dunklen Zeiten der Krankheit und an die Versuche der Bewohner sie einzudämmen. Wer nach Derbyshire kommt und dieses besondere Örtchen besucht, kann sich auf eine kleine Zeitreise in die schaurigen Zeiten der „Großen Pest“ begeben.
Er wird dort zum Beispiel den Coolstone vorfinden, ein mit Löchern versehener Findling an der Grenze zu einer Nachbargemeinde, der als Umschlagplatz für Nahrung und andere Güter diente. In den Löchern des Steins tunkte man das Geld in Essig. Auch einige Gräber von Pesttoten sind noch da, unter anderem auch die der oben erwähnten Familie Hannock. Hinweisschilder erinnern an einigen Häusern an ehemalige, an der Pest verstorbene, Bewohner. Cucklet Delf, eine Art natürliches Amphitheater, wurde zu Pestzeiten für die Gottesdienste genutzt und ist heute noch ein Ort der Andacht. Jedes Jahr, am letzten Sonntag im August, begeht man hier den „Pest-Sonntag“ und erinnert an die Pestopfer. Auch ein Museum informiert über die Ereignisse der Jahre 1665/66.
Die Geschichte ist deutlich spürbar in Eyam. Man stellt sich unwillkürlich vor, wie es den Bewohnern damals ergangen sein muss, wie viel Angst, Not und Leid geherrscht haben müssen. Dennoch waren sie beherrscht und besonnen genug, anderen ihre Not ersparen zu wollen. Wer in die Gegend von Derbyshire und dem Peak District kommt, sollte sich diesen kleinen Ort mit seiner bemerkenswerten Geschichte nicht entgehen lassen.
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04.01.2024
Martin Herrlich aus Schwäbisch Hall
5,0
Das Pesttuch / Years of Wonders. A Novel of the Plague
Wer sich der Geschichte von Eyam romanhaft nähern mächte, dem sei der im Titel genannte historische Roman von der Journalisitin Geraldine Brooks wärmstens empfohlen. Der Roman beschreibt die Folgen der selbsterwählten Quarantäne in dem Dorf rund um die Hauptpersonen Anna, Dorfpfarrer Michael Mompellion und seiner Frau Elinor. Sehr starkes Buch!